1945. Der von Deutschland entfesselte Krieg war an seinen Ausgangspunkt zurückgekehrt. Das spürten die Menschen damals Tag für Tag. An der Front starben die Väter und Söhne, in der Heimat verging kein Tag ohne Bombenangriffe, wie auch der 6. Februar in Arnstadt, der 85 Menschenleben forderte. Darunter auch ein kleines 5-jähriges Mädchen aus Sülzenbrücken, Ortrud Erdmann. Die meisten Menschen hofften auf ein Ende des Krieges und der Schreckenszeit, nur äußern durfte es keiner. Das Sterben nahm kein Ende.
Am 23. Februar 1945 war Sülzenbrücken unmittelbar betroffen. An diesem und dem vorhergehenden Tag bombardierten und beschossen 7500 Flugzeuge der Alliierten viele Bahnhöfe, Gleisanlagen, Züge, Häfen, Brücken und anderes mehr in ganz Deutschland. Die von den Alliierten lange geplante Aktion hieß Operation „Clarion“, zu Deutsch: Fanfare. Eines dieser Ziele war ein auf Sülzenbrücken zu fahrender Munitionszug. Ortschronist und Zeitzeuge Lothar Schmidt berichtet: „Am 23. Februar 1945 beschossen abermals feindliche Tiefflieger einen mit Munition, Granaten und Sprengmitteln beladenen Güterzug, von Arnstadt kommend. Eine Begleitmannschaft war noch mit im Zug, viele waren unterwegs beim Beschuss schon abgesprungen, sie warnten alle Bürger vor den noch zu erwartenden Folgen, sie kannten Ihre Ladung. Die zerschossene Lokomotive, der brennende Güterzug war bis hinter das Dorf gerollt und zum Halten gekommen. In den brennenden Waggons explodierten die Granaten, sie zertrümmerten die Waggons, Waggonteile, Granaten und Sprengmittel flogen weit in den Ort hinein. Die angrenzenden Scheunen und Ställe standen in Flammen, das Gemeindehaus und Stallgebäude, der heutige Garten, waren durch die Druckwelle völlig zerstört, die umliegenden Gebäude hatten große Schäden erlitten. Tiere liefen verirrt auf der Straße umher, sie mussten doch schnell aus den Ställen gerettet werden. Es war ein Bild der Verwüstung, Vernichtung! Eine zur Hilfeleistung angefordert Lokomotive zog nach der Trennung des Güterzuges den hinteren Teil bis in den Einschnitt zurück, in diesen Waggons sollten sich Luftminen befinden. Ein noch weitaus größerer Schaden konnte dadurch vermieden werden von der Freiwilligen Feuerwehr Sülzenbrücken und den zu Hilfe kommen dann Nachbarwehren und einem Löschzug aus Ichtershausen wurden die Löscharbeiten, Rettung und Bergung von Menschen und Tieren bis zur völligen Beherrschung der Lage durchgeführt. Laufend detonierten Granaten in den brennenden Waggons, aber auch welche, die schon in die Scheunen geflogen waren. Es war ein gefährliches Löschen. Für die Besatzung und den Zugführer kam jede Hilfe zu spät Man fand sie im Führerstand als verbrannte Leichen, 4 Mann fanden dabei den Tod.
Der Einsatz von Kräften des Munitionsbergungsdienstes und Kräfte der Bahn begannen am anderen Tag mit der Entladung aus den zertrümmerten Waggons und sammelten Sammeln zerstreuter Granaten Sprengmittel und Sprengpulver. Ein Arbeiter der Deutschen Reichsbahn verunglückt tödlich andere wurden dabei verletzt, als sie die Gleisanlage instand setzten. Die gesamte Munition und Granaten wurden abgelagert, mit einem Pferdegespann wurden sie in den Hochheimer See gefahren und von einem Sprengmeister gesprengt. “
In einer anderen Chronik (Karl Klippstein) steht ergänzend: „Das Begleitpersonal des Munitionszuges war zum großen Teil, das Unglück voraussehend, vor der Explosion vom fahrenden Zuge abgesprungen. Es waren Soldaten. Viele erlitten dabei schwere Verletzungen, sodaß Arnstädter Ärzte und die Hilfe das Roten Kreuzes aus Arnstadt in Anspruch genommen werden mußte. ……… Nur durch tapferes Eingreifen der Freiwilligen Feuerwehr von Sülzenbrücken unter Leitung des Brandmeisters Otto Erfurt und der Feuerwehr aus Ichtershausen wurden die umliegenden Wohnhäuser am Bahnhof vor der Zerstörung gerettet. “
Zu gleichen Zeit hielt ein aus Erfurt kommender Personenzug ebenfalls in Sülzenbrücken. In diesem Zug starben mindestens zwei Fahrgäste. Der Lokführer dieses Zuges hat, als er in Arnstadt angekommen war, den Einsatz der Ersatzlok ausgelöst, die den hinteren Teil des Munitionszuges nach dem Abkoppeln aus der unmittelbaren Gefahrenzone zog.
Todesopfer in der Sülzenbrücker Zivilbevölkerung hatte es nicht oder eventuell eine Frau gegeben. Karl Klippstein schrieb hierzu: „daß am 22. Februar 1945 ein Personenzug von amerikanischen Tieffliegern beschossen und neben vielen anderen Fahrgästen dabei auch eine Frau aus Sülzenbrücken, Auguste Siebert, wohnhaft im Gartenhaus am Anger, tödlich verletzt wurde. Sie starb im Krankenhaus zu Arnstadt. Auch Flüchtlinge, die mit Fuhrwerken auf der uns nahe liegenden Autobahn von Osten nach Westen zogen, wurden von Fliegern angegriffen, verletzt oder total zusammengeschossen. Die Sanitätsstelle Sülzenbrücken leistete hierbei große Hilfe beim Verbinden und Transport der Verwundeten, da die Unglücksstelle dem Dorf am nächsten lag.“
Hier gibt es zumindest in Bezug auf das Datum für den Zug eine Unklarheit, da der Personenzug offensichtlich am 23. Feb. beschossen wurde. Weiterhin konnte bisher in den zur Verfügung stehenden Sterbe- und Bestattungsbüchern (Sülzenbrücken, Arnstadt) noch kein Nachweis zu der verstorbenen Frau Siebert gefunden werden. Die sechs oben genannten Todesopfer sind alle namentlich bekannt und standesamtlich belegt. Sie stammten aus Arnstadt, Liebenstein, Berlin, Meiningen und Würzburg.
Insgesamt war Sülzenbrücken mit dem Schrecken davongekommen. Aber es dauerte noch bis zum 10. April, dass die Amerikaner unseren Ort einnahmen und der Krieg hier zu Ende war.
Bernd Hartung
Ortschronist