Eine neue Kaiserlinde für Sülzenbrücken

Sülzenbrücken. - Am 21. April 2023 wurde auf dem Anger für eine der altehrwürdigen, aber nunmehr abgestorbene Kaiserlinde eine neue gepflanzt. Der Ortsteilrat hatte diese bereits im Spätherbst gekauft, den Pflanztermin aber auf das Frühjahr gelegt, um das Ereignis bei schönem Wetter mit zahlreicher Teilnahme begehen können. Und es war Kaiserwetter!
Warum wegen eines einzelnen Baumes eine solche Zeremonie?
Gepflanzt wurden drei unserer schönen alten Kaiserlinden 141 Jahre zuvor, im Jahr 1882. Eine weitere Linde stand bereits. Als Anlass nennt die Chronik entsprechend dem damaligen Zeitgeist die Geburt des Kronprinzen Friedrich Wilhelm. Sie sollten wohl damals den aktuellen und die nachfolgenden Kaiser symbolisieren. Im Laufe der Jahrzehnte haben sie sich zu einer imposanten Baumgruppe entwickelt. Allerdings waren es seit geraumer Zeit nur noch drei Bäume. Jetzt hatte der nächste sein Lebensalter erreicht – also Zeit für eine Neupflanzung!
Vor 50, 60 Jahren wusste noch jedes Kind, wo die Kaiserlinden stehen: Auf dem Anger, da wo der Spielplatz ist, wo man im Winter Schlitten fährt. Den Sandkasten gibt es nicht mehr, Schnee auch kaum noch. Die Kaiser gibt es noch länger nicht mehr. Aber die Kaiserlinden stehen weiterhin da und der Name ist geblieben. Sie prägen das Ortsbild mit und so soll es auch bleiben.
Das Areal hatte aber auch vor 1882 schon eine gewisse Bedeutung. Der Chronist A. Tantz berichtet, es hätten schon früher Lindenbäume hier gestanden, in deren Mitte habe ein großer Stein gelegen. War es der sogenannte Breite Stein? Nach diesem ist das Flurstück oberhalb des Angers benannt. Auf seiner Oberseite hatte der Stein eine rinnenartige Vertiefung, eine Blutrinne, schreibt Tantz. Er „vermutet eine Bedeutung des Steins und seiner Umgebung unter den großen Linden“. Um die Jahrhundertwende ist dieser Stein ins Dorf geschafft und dann 1913 beim Bau des Kriegerdenkmals verarbeitet worden.
Und, noch in einem weiteren Zusammenhang wird der Breite Stein erwähnt. Der von 1889 bis 1899 in Sülzenbrücken tätige Lehrer Hollstein hat hier Ausgrabungen durchgeführt und ein Skelett gefunden „in der bloßen Erde auf Fels gebettet.“ Grabbeigaben waren eine silberne Gürtelschnalle, eine Bronzenadel, Ton- und Glasperlen sowie ein kleines Eisenmesser. Über den Verbleib dieser Funde ist heute leider nichts mehr bekannt.
In späterer Zeit war am Anger eine Tongrube und in den 1930er Jahren ein Schießstand. Nach dem Krieg stand zur Straße hin eine Baracke, in der mehrere Flüchtlingsfamilien aus den Ostgebieten auf Grund der Wohnungsnot leben mussten. Heute ist der untere oder vordere Teil des Angers bebaut (Rehestädter Weg), der sogenannte Hohe Anger, über Jahrhunderte Hutfläche für den Sülzenbrücker Schäfer, ist Streuobstwiese geblieben.


Doch zurück zur feierlichen Baumpflanzung am 21. April 2023:
Treff- und Startpunkt für den kleinen Festzug war das Bürgerhaus in der Ortsmitte. An der Spitze waren zwei Feuerwehrleute und das Feuerwehrauto zur organisatorischen Absicherung. Es folgte der Fanfarenzug Ichtershausen, dann das Fahrzeug des Bauhofes, gesteuert durch den Ortsteilbürgermeister. Auf der Ladefläche stand die neue Kaiserlinde, geschmückt mit der Sülzenbrücken- Fahne. Der Kaiser in Paradeuniform vervollständigte das festliche Bild. Viele interessierte und frohgelaunte Bürgerinnen und Bürger schlossen sich dem Zug an. Mit Marschmusik ging es durch Mittelgasse, Wachsenburgblick und Anger zur Pflanzstelle, den Kaiserlinden. Der neue Baum wurde in die Pflanzgrube gehoben. Danach folgte eine kurze Rede des Ortschronisten zur Geschichte der Kaiserlinden sowie ein Grußwort des Ortsteilbürgermeisters und auch des „Kaisers“ . Unter den Klängen des Fehrbelliner Reitermarsches, besser bekannt als „Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben“, erfolgte unter Beifall der Zuschauer die Pflanzung.
Ein paar Schritte unterhalb des Geschehens hatte der Ortsfeuerwehrverein bereits Grill, Getränkestand und Sitzbänke aufgebaut. So konnten sich alle Teilnehmer von der „anstrengenden Zeremonie“ erholen, das soeben Erlebte und seine Geschichte diskutieren und vertiefen oder auch nur die aktuellen Ereignisse im Dorf besprechen.
Alles in allem war es eine gelungene Veranstaltung, die das Miteinander in Sülzenbrücken beförderte. Der Dank des Ortsteilrates und des Ortsteilbürgermeisters gilt allen Beteiligten wie dem Fanfarenzug Ichtershausen, Feuerwehr und Ortsfeuerwehrverein Sülzenbrücken, dem Bauhof sowie den privaten Helfern, die zum Gelingen beitrugen.

von Bernd Hartung

Fotos: Sülzenbrückener Einwohner